Junge Menschen sollen sich nicht gegen ihren Willen zwangsverpflichten müssen. Nicht Bevormundung, sondern Förderung von Jugendlichen ist die Aufgabe des Staates in einer freiheitlichen Gesellschaft.
Dienstpflicht? Nein Danke
Jugendliche fördern statt bevormunden
Christine Orth, Unternehmenskommunikation, 14.02.2023
Dass in den Freiwilligendiensten viel Potenzial steckt, hat die Politik schon lange erkannt. Freiwilligendienste ermutigen junge Menschen, sich für andere einzusetzen, sie unterstützen ihre persönliche Entwicklung und helfen bei der Berufsorientierung. So liegt die Forderung nach der Einführung einer Dienstpflicht nahe und die Idee dahinter ist für viele Menschen genauso verlockend wie einleuchtend:
Jugendliche sollen zu engagierten Staatbürgerinnen und Staatsbürgern geformt werden und sie sollen gleichzeitig Arbeitskräfte ersetzen, die zum Beispiel in der Pflege fehlen. Für eine soziale Pflichtzeit machte sich zuletzt sogar Bundespräsident Frank Walter Steinmeier stark: "Es geht um die Frage, ob es unserem Land nicht gut tun würde, wenn sich Frauen und Männer für einen gewissen Zeitraum in den Dienst der Gesellschaft stellen."
69 Prozent der Deutschen unterstützen die Einführung einer Dienstpflicht. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage von Infratest dimap, die die ARD im Rahmen der Fernsehdokumentation "Ein Jahr für Deutschland? Der Streit um die Dienstpflicht" in Auftrag gegeben hat. 81 Prozent der Umfrageteilnehmenden über 65 Jahre unterstützen eine Dienstpflicht. Bei den 18 bis 34-Jährigen liegt der Anteil der Befürworter/-innen bei 51 Prozent. Unter den Anhängern der CDU ist die Zustimmung mit 84 Prozent am höchsten. Dann folgen SPD (75 Prozent), Linke (67 Prozent), Grüne (67 Prozent), AfD (63 Prozent) und FDP (46 Prozent).
Das Besondere am Freiwilligendienst ist seine Freiwilligkeit. Wenn der Staat Engagement verordnet, wird es immer schwierig. Dann wird nicht nur der Sinn der Freiwilligkeit in Frage gestellt, der Freiwilligendienst als besonderes Bildungsjahr für junge Menschen wird damit abgeschafft.
Vieles blieb bislang bei der Diskussion offen und unbeantwortet: Wer soll die Umsetzung des Pflichtjahres übernehmen, wie die bundesweite Organisation funktionieren, wo kommen die Einsatzstellen her? Wie willl die öffentliche Hand ein Pflichtjahr für alle Jugendlichen finanzieren? Woher kommt das qualifizierte Personal für die Anleitung der Dienstpflichtigen?
Anstatt das Prinzip und den Wert freiwilligen gesellschaftlichen Engagements mit einer Dienstpflicht zu untergraben, sollten wir lieber den Freiwilligendienst für alle öffnen, die daran Interesse haben. Junge Menschen aus finanziell weniger gut ausgestatteten Familien sind von diesem Engagement ausgeschlossen. Sie können sich ein Freiwilliges Soziales Jahr schlichtweg nicht leisten. Nicht Pflichterfüllung gehört auf die politische Agenda, sondern die Verbesserung der Rahmenbedingungen und eine ausreichende finanzielle Förderung der Freiwilligen. Es ist zu hinterfragen, was teurer wird: die Umsetzung eines flächendeckenden Pflichtdienstes oder die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Freiwilligen im FSJ?
"Eine Einführung der Dienstpflicht widerspricht zutiefst demokratischen und freiheitlichen Prinzipien."
Peter Battenberg, Volunta-Geschäftsführer
Wir lehnen die Dienstpflicht ab. Sie ist zutiefst undemokratisch. Sie nimmt Jugendlichen nicht nur die freie Wahl für ihre Lebensplanung, sie instrumentalisiert sie auch:
Den Pflegenotstand in Krankenhäusern und Altenheimen, den Mangel an Arbeitskräften im Rettungsdienst wird ein soziales Pflichtjahr nicht abbauen. Die Dienstpflicht würde vielmehr zu einer Verstärkung des Niedriglohnbereichs führen. Klar ausgedrückt, würden junge Menschen in ihrer Dienstzeit als billige Arbeitskräfte ausgenutzt. Im Freiwilligendienst dagegen sind ein respektvoller, wertschätzender Umgang, die pädagogische Begleitung durch den Träger sowie umfangreiche Bildungsmöglichkeiten in Seminaren elementar. Wir glauben, dass damit viel mehr Menschen für eine langfristige Berufstätigkeit im sozialen Bereich gewonnen werden können als mit einer Dienstpflicht. Und wer will ernsthaft, dass seine Angehörigen von zwangsverpflichteten Jugendlichen gepflegt werden?